Das Leben im Pestalozzi-Heim Ohlstedt unter der Nazi-Diktatur

~ Hinrich Hauschild

Der 2018 im Alter von 90 Jahren verstorbene ehemalige Diplom-Volkswirt Karlheinz Reher hat sich in seinen hohen 80ern der Mühe unterzogen, eine Chronik der 1847 gegründeten Pestalozzi-Stiftung Hamburg bis zum Jahr 2014 zu schreiben (1). Von 1937 bis 1943 lebte er als Heimkind im Pestalozzi-Heim in Hamburg Ohlstedt in der Diestelstraße und seine Erinnerungen und Schilderungen der Kriegsjahre stellen ein wichtiges Zeitdokument dar.

Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, Reichsbürgergesetz, Nürnberger Rassengesetze und die Etablierung der Konzentrationslager
Kriegszeit in der Diestelstraße

Heimkinder im Schützengraben

Karlheinz Reher beschreibt in seinem Rückblick auf die Kriegszeit in der Diestelstraße keinerlei Ereignisse, die auf eine Überführung oder Verlegung von Kindern infolge der neuen Gesetzgebung schließen lassen. Sein Mitbewohner Helmuth Haack, der von 1942 bis 1950 im Pestalozzi Heim in Ohlstedt lebte, hat in seinem Buch “Pestalozzis Kosmos”(2) über einen Jungen berichtet, der als Halbjude kurz vor Kriegsende plötzlich aus dem Heim verschwunden war. Spätere Nachforschungen von Karlheinz Reher hatten keine weiteren Hinweise auf seinen weiteren Verbleib liefern können. Beide Autoren beschreiben sehr anschaulich die kriegsbedingten Veränderungen des Alltags. Unter Anleitung von Herrn Kalsow, dem Heimgärtner, wurde rasch gemeinsam damit begonnen, einen Luftschutzgraben auszuheben und der Werkraum im Keller des Haupthauses wurden mit schweren Balken zum Luftschutzkeller ausgebaut. Der Graben wurde nie benötigt und sehr schnell wieder eingeebnet. Dafür sollten die Kinder und das Personal in den kommenden Jahren viele lange und angstvolle Nächte bei Fliegeralarm im Schutzkeller verbringen. Als im Herbst 1944 Sprengbomben auf das Heimgelände abgeworfen wurden, kam es glücklicherweise nur zu Sachbeschädigungen.

Das Heim wird Ersatz-Hilfskrankenhaus
Kritische Haltung dem NS-Regime gegenüber
Dr. Wilhelm Blitz (1876-1940)
Abbildungen und Quellen